
Erhaben gelegen liegt das Schloss Neuschwanstein auf einem hohen, zerklüfteten Felsen, ragt es vor der Kulisse der schroffen, spitzen Gipfel des Ammergebirges aus dichten grünen Wäldern empor, zu seinen Füßen leuchten entlegene Bergseen in tiefem Blau und windet sich die wilde Pöllat durch ihr steiniges Tal – die Lage des Schlosses Neuschwanstein ist wahrlich pittoresk und erscheint dem Bilderbuch entsprungen. Diesem einzigartigen Zauber aus beispiellos idyllischer Landschaft und dem märchenhaftem Schloss kann sich wirklich keiner entziehen. Das zeigen auch die jährlich fast 1,4 Millionen Touristen aus aller Welt, dank derer Schloss Neuschwanstein zu den meistbesuchten Schlössern und Burgen Europas zählt und auch in Deutschland selbst eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten ist.
Einst Refugium Ludwigs II., heute weltbekannte Sehenswürdigkeit
Bedeutend wie das oberhalb von Hohenschwangau gelegene Schloss Neuschwanstein für den Tourismus der dünn besiedelten Region rund um Füssen in Südbayern auch ist, einem hätten die unzähligen Besucher garantiert nicht gefallen. Und zwar König Ludwig II. Denn so paradox es klingen mag, dieser ausgefallene Bau sollte dem menschenscheuen König von Bayern eigentlich nur als Rückzugsort aus der Öffentlichkeit dienen, als Refugium, in dem er sich ungestört in seine Traumwelten zurückziehen konnte. Das Schloss für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, daran hatte er niemals einen Gedanken verschwendet. Doch eine wirkliche Zuflucht und ein Ort zum Träumen ist das prachtvolle Schloss Neuschwanstein für den König nie geworden, denn er starb noch vor der Fertigstellung des Baus im Jahr 1886. Zwar konnte er einige Räume der Burg schon 1884 beziehen, doch wirklich gelebt in seinem Märchenschloss, hat Ludwig II. in den zwei Jahren bis zu seinem Tod nur ganze 172 Tage.
Obwohl die Intention des Bauherrn eine völlig andere war, wurde das Schloss Neuschwanstein nur sieben Wochen nach seinem Tod im Jahr 1886 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies geschah vor allem vor dem Hintergrund, mit den Eintrittsgeldern einen Teil der immensen Bauschulden und Kredite des Königs auszugleichen. Denn immer neue Ideen und Wünsche Ludwigs II. hatten den Bau des Schlosses, der von der Grundsteinlegung 1869 bis zu seiner Fertigstellung 1886 ganze 17 Jahre in Anspruch nahm, immer weiter ausufern lassen und stürzten den König in eine immense Verschuldung, die letztendlich sogar in seiner Absetzung mündete. Denn die bayerische Regierung erklärte dem König 1886 die Unmündigkeit. Die Schulden sind zwar schon seit 1899 abbezahlt, doch für Besucher ist das weltbekannte Schloss Neuschwanstein auch weiterhin ganzjährig geöffnet. Ein Schloss wie es nur dem Kopf eines Kunstliebhabers und Träumers entsprungen sein kann.
Und dabei sollte es doch einzig und allein Ludwig II. vorbehalten sein, in seinem Schloss zu wandeln. Daher gestaltete er den gesamten Bau auch nach seinen eigenen speziellen Vorstellungen. Gesamtidee seines Bauvorhabens war, ein Schloss im klassischen Stile einer alten deutschen Ritterburg zu errichten, das zugleich die Rolle einer Art bewohnbaren Theaterkulisse für die Werke Richard Wagners übernehmen sollte, indem die Räumlichkeiten der musikalischen Sagenwelt ebenjenen Wagners nachempfunden wurden. Denn Ludwig II. bewunderte das Schaffen des bayerischen Komponisten mit äußerster Hingabe. Doch der bayerische König war auch allgemein den Künsten sehr zugeneigt, wie die prunkvolle Einrichtung und die romantische Architektur des Schlosses zeigen, die beide im Stile des für seinen Stilpluralismus bekannten Eklektizismus gestaltet wurden. Das Schloss als Ganzes gilt als ein Hauptwerk des Historismus, orientieren sich die Entwürfe und Planungen für den märchenhaften Königsbau doch ausschließlich an historischen Vorbildern einer Ritterburg wie der Wartburg oder Burgen auf mittelalterlichen Malereien, die König Ludwig II. als das Ideal einer Ritterburg oder eines Schlosses ansah.
Dieses Streben nach der perfekten und gänzlich seinen Vorstellungen und Ideen entsprechenden Burg spiegelt sich auch in dem Einfluss wider, den der König immer wieder auf die Entwurfsarbeiten des Theatermalers Jank und die Bauausführung des Architekten Riedel nahm. Denn jeder Entwurf musste erst dem König zur Genehmigung vorgelegt werden und auch die Bauphase verzögerte sich ständig aufgrund neuer Ideen Ludwigs II., die schließlich zur langen Bauzeit von 17 Jahren führten. Viele dieser Ideen betreffen die Ausstattung der Innenräume und Gemächer. Auch wenn der Bau von außen dem romantischen Bild einer mittelalterlichen Burg nachempfunden worden ist, so sind die Zimmer doch mit für die damalige Zeit modernster Technik ausgestattet. Neben einer auf Heißluft basierenden Zentralheizung in den Gemächern, fließendem Wasser in allen Stockwerken sorgten auch Aufzüge, eine elektrische Rufanlage und sogar Telefonanschlüsse für wahren Luxus. Wer diese komfortabel ausgestatteten Gemächer und prunkvoll gestalteten Räume des Schlosses Neuschwanstein aus nächster Nähe erleben und bestaunen möchte, der muss sich einer geführten Besichtigung anschließen. Denn das Betreten der Innenräume und des Schlosses ist nur im Rahmen der ganzjährig angebotenen Schlossführungen möglich.
Informationen zum Schloss Neuschwanstein:
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